Artikel Oktober 2024
E hatte sowas irgendwie schon geahnt. Da hatte vor ein paar Tagen ein Mann an seinem Fahrzeug gestanden und Bilder gemacht. Nennen wir ihn Herrn M. M meinte, E habe dessen Auto angefahren. 3.500 € sei der Schaden. Und weggefahren wäre E. E würde schon sehen.
Da hatte er es nun: „In der Ermittlungssache wegen Verkehrsunfall mit Straftat unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ist Ihre Vernehmung als Beschuldigter erforderlich. Sie werden gebeten…“ Was macht man da?
E tat das einzige richtige. Er ging zum Anwalt und nicht zur Polizei. Der Anwalt nahm sich Zeit für ihn und sein Auto. Letzteres war ein Gebrauchsgegenstand. Das sah man. Es gab Kratzer an unterschiedlichen Stellen. Um welche es hier ging, war ungewiss. Da half nur eine Akteneinsicht.
E war rechtsschutzversichert. Das gab Sicherheit. Löste die Risiken aber bei weitem nicht auf. Seine eigene KFZ-Haftpflichtversicherung machte ihm dies deutlich: „Es wurden Ansprüche i.H.v. 3.514,05 € an uns gestellt.“ Bei einer derartigen Schadenhöhe geht es um 3 Punkte in Flensburg. Zur Geldstrafe kommt der Entzug der Fahrerlaubnis. Und zu guter Letzt der Regress der Haftpflichtversicherung. Der ist zwar auf 2.500 € beschränkt. Aber alles zusammen…
Der Anwalt erhielt die Ermittlungsakte. Darin die Aussage von M. M hätte sein Auto abgestellt. Am nächsten Morgen war da dieser Zettel am Scheibenwischer. „Es ist dieses Auto beim Ausparken an Ihre Stoßstange hinten links gefahren. Tel…“ Dort habe er angerufen. Zeuge Z hätte den Unfall beobachtet. Mehr könne er auch nicht sagen. Aber einen Kostenvoranschlag habe er schon.
Die Polizei befragt den Zeugen Z. Z habe alles genau gesehen. Er habe in 5 m Abstand gestanden. Der Fahrer sei einfach weitergefahren. Der hätte es aber bemerkt haben müssen durch die Kratzgeräusche und weil sich das beschädigte Auto bewegt hatte.
Zeugen sind immer das schwächste Beweismittel. Das zeigte sich hier wieder ganz deutlich. Es gab noch einen anderen Zeugen. Der hatte sich beim Anwalt gemeldet. Der habe mitbekommen, wie das Auto damals losfuhr. Er habe 10 m entfernt gestanden. Es gab keine Geräusche und auch keine Kollision. Dies würde er auch beeiden.
Gab es vielleicht mehrere Ausparkvorgänge mit anderen Fahrzeugen? Das wär schon möglich. Gerade wenn man die Schadenbilder so gegenüberstellte. Wenn man es sich einfach machte, passten die Schadenhöhen zueinander. Aber die Spuren an E´s Auto zogen sich über die gesamte Breite des Stoßfängers. Demgegenüber begannen die Spuren an M´s Wagen in der Mitte und zogen sich von dort zur Seite. Es gab einen klaren Beginn und ein auslaufendes Ende. Eben ganz anders als bei E. E meinte, er habe Altschäden am Auto. So wie es an den anderen Fahrzeugseiten aussah, war das durchaus auch plausibel. Hier gäbe es noch genügend Klärungsbedarf.
Mitte Mai 2024 meldet sich ein Sachverständiger. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft STA solle er klären, ob der Unfall für E bemerkbar war. Für die STA ging es gar nicht mehr um das Ob sondern nur noch um die Bemerkbarkeit. Eine sachgerechte Verteidigung läuft da anders. Warten wir es mal ab. Beim Ortstermin ist der Anwalt zugegen. Die Situation in E´s Fahrzeug wird so genau wie möglich nachgestellt. Der Sachverständige prüft den Straßenbelag, die Motorgeräusche und vieles mehr. Sein Fazit: Wenn es den Unfall denn gab, war der für E nicht in jedem Falle wahrnehmbar. Und dies auch deshalb: „Im Kostenvoranschlag wurde die Erneuerung des Aufprallquerträgers angesetzt. Die nachfolgenden Darstellungen zeigen den Aufbau und die Lage des Trägers. Hierbei ist gut zu erkennen, dass der Träger nicht im Anstoßbereich liegt und deshalb auch nicht ersetzt werden muss. Diese Bewertung ist insofern wichtig, da diese einen entscheidenden Einfluss auf die taktile Wahrnehmbarkeit hat.“ Wie durch den Anwalt angeregt, stellt die Staatsanwaltschaft Mühlhausen am 12. Juni 2024 das Ermittlungsverfahren zum Az. 285 Js 62791/23 ein.