Artikel November 2024
„Sehr geehrter Herr D, Ihnen wird vorgeworfen, am 04.01.2023 um 17:09 Uhr in Bendeleben folgende Verkehrsordnungswidrigkeit begangen zu haben: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 18 km/h…“
Es gibt schönere Schreiben als so eine Anhörung der Bußgeldstelle Artern. Im März 2023 folgte der Bußgeldbescheid. 70 € Geldbuße plus Kosten. Alles zusammen knapp 100 €. Kein Punkt. Kein Fahrverbot. Was nun? Einfach akzeptieren oder dagegen vorgehen? Mit weißer Weste schläft sich‘s besser. D ging zum Anwalt. Verkehrsrecht hat er versichert. Entstehende Kosten sind also nicht sein Risiko.
Der Anwalt legt Einspruch ein und fordert die Akte ab. Danach war D einer von 26, die zu schnell gewesen sein sollen. Das Foto war gestochen scharf. Blieb die Frage, ob der Messwert stimmte. Im Januar 2024 setzt das Amtsgericht Sondershausen Verhandlungstermin fest für den 17. Juni 2024. Mit dem Bild in der Akte ließ sich die Fahrereigenschaft nicht in Zweifel ziehen. Diese wurde zugestanden. Damit konnte beantragt werden, D vom persönlichen Erscheinen im Termin zu entbinden.
Am 17. Juni 2024 anwesend waren D´s Anwalt und die Richterin. Die wollte nun gleich das Meßprotokoll verlesen. Dem trat der Anwalt entgegen. Es sollte nicht darauf ankommen, was der Meßbeamte M vor 1,5 Jahren protokolliert hatte sondern was er heute bekunden kann. Also neuer Termin am 29. Juli 2024. Die Richterin belehrt M als Zeugen. Dann geht‘s los. Die Richterin hat ein paar Fragen. M erklärt, was er üblicherweise so macht. Erinnerung an das Auto hat er keine mehr. Aber wenn er das damals so protokolliert hatte, dann stimmt das schon.
Dann ist der Anwalt dran. Und der möchte es natürlich genauer wissen. Was für ein Messgerät haben Sie denn verwendet? PoliScan. Gut und in welcher Variante? PoliScan Speed oder PoliScan FM 1? Das war wohl die Variante FM 1. Sind Sie sich da nicht sicher? Es war auf jeden Fall nicht die Variante Speed. Aber das ist sowieso alles dasselbe. Wenn es dasselbe wäre, warum wird dann im Geschwindigkeits-Meßblatt die Variante Speed benannt aber ein Eichschein nur für Poliscan FM 1 vorgelegt? Da könne er nichts machen. Das Geschwindigkeits-Messblatt wäre ein Formblatt. Dort ist die Bezeichnung für das Meßsystem vorgegeben. Dieses Formblatt würde man jetzt auch nicht mehr verwenden. Gut, es liegt also ein Eichschein für die Variante FM 1 vor und Sie sagen, dass Sie mit der Variante FM 1 gemessen haben. Die Vorgabe im Geschwindigkeits-Messblatt wäre nur unzutreffend. Warum steht in Ihrer Bedienberechtigung dann aber nur „hat an der Veranstaltung PoliScan Speed teilgenommen“? Dann waren Sie doch für PoliScan FM 1 gar nicht ausgebildet? Das ist mir noch gar nicht aufgefallen, aber ich hatte noch mal ein Seminar im Sommer 2022. Da gibt es bestimmt noch einen Beleg.
Das wär also noch aufzuklären. Arbeiten Sie immer mit diesem Gerät mit dieser Nummer? Nein. Das habe ich an diesem 4. Januar 2023 verwendet. Wann hatten Sie es davor zuletzt? Das weiß ich nicht. Wie können Sie dann im Meßprotokoll „Keine Reparaturen und Wartungen seit Beginn der Eichfrist“ ankreuzen? Wenn das Gerät nicht ständig bei Ihnen ist, können Sie dies doch gar nicht wissen oder? Nun ich gehe davon aus, dass keine Wartungen erfolgt sind. Sie wissen es also nicht? Und hätten akzeptiert, dass die Richterin diese Urkunde verliest und auf die Richtigkeit vertraut?
Im Meßprotokoll ist die Lage der Messstelle mit 35 m hinter der Kreuzung vermerkt. Ist das Ihre Handschrift? Ja. Und aufgebaut hatten Sie an der Hausecke der Ruine rechts? Ja. Wie kommen Sie denn dann auf 35 m? Ich habe das selbst vor Ort mal eingemessen und …
Vieles blieb ungenau. Für ein standardisiertes Messverfahren sprach dies noch nicht. Ein Sachverständigengutachten über die Richtigkeit der Messung wäre notwendig. Der Anwalt regt die Einstellung des Verfahrens 4 Owi 285 Js 4804/23 an. Und so wird´s.