Artikel Juni 2024
Mit der Geschwindigkeit ist es ja auch immer so eine Sache. Der eine liebt sie. Der andere fühlt sich unsicher. Der nächste hält so richtig drauf. Und dann steht da manchmal was, was man kaum glauben kann. 85 km/h soll ich im Ort gefahren sein? So stand es am Lasermessgerät. Ja gut, aber war das auch der Wert für sein Fahrzeug? Waren da nicht andere hinter ihm gewesen? Angehalten hatte die Polizei nur ihn. Verdammt. Irgendwann hielt ihm der eine Polizist einen Zettel vor. Hier müsse er mal unterschreiben. Dann könne er auch schon los.
2 Monate später kam der Anhörungsbogen. 82 km/h nach Toleranzabzug innerhalb geschlossener Ortschaften. Das hieß doch…
Ganz genau – das bedeutete ein Fahrverbot von 1 Monat und 260 € Bußgeld. Das bestätigt ihm sein Anwalt. Und im August 2023 auch der Bußgeldbescheid. Die Rechtsschutzversicherung trat ein. Kosten für ein Gutachten musste er damit nicht scheuen. Also ging es los. Einspruch. Akteneinsicht. Abgabe der Akten an das Amtsgericht Sangerhausen. Im Februar 2024 schreibt das Gericht: „Anhaltspunkte für einen Messfehler sind zurzeit nicht ersichtlich. Bloße wirtschaftliche und berufliche Nachteile, reichen in keinem Fall für ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes aus. Das Gericht verweist zudem auf die in der Akte befindliche Bußgeldanzeige, in welcher der Betroffene den Verstoß zugegeben hat. Vor diesem Hintergrund regt das Gericht an, den Einspruch zu überdenken.“
Ja, diese Unterschrift war alles andere als gut. Davor waren 2 Kreuze. Zum einen, daß er belehrt worden war, sich zu äußern und zum anderen, daß er den Verstoß zugibt. Warum hatte er das nur nicht richtig gelesen. Warum hatte er überhaupt unterschrieben?
Sein Anwalt hatte noch viel mehr Fragen. Wo befand sich die Messstelle? Wo war er angehalten worden? Wie war der Straßenverlauf? Gab es andere Fahrzeuge vor oder hinter ihm? Er sollte Bilder fertigen von der Annäherungssituation. Zusammen werteten sie die Bilder aus. Im Messprotokoll war ein Nulltest beschrieben auf ein Verkehrszeichen in einem Abstand von 252,6 m. Den Nulltest schreibt die Bedienungsanleitung vor. Nur wenn das Gerät hier 0 km/h anzeigt, funktioniert es ordnungsgemäß. Der Anwalt selbst fuhr die Strecke ab. Es gab vor Ort Verkehrszeichen die dichter dran standen und solche die weiter entfernt waren. Was für ein Zeichen es sein sollte, ergab sich aus dem Messprotokoll nicht. Wo also war die Messstelle tatsächlich?
Am 15. Mai 2024 war Verhandlungstermin. Anwesend war nur ein Zeuge. Der Anhaltebeamte A. Der Messbeamte M hatte Urlaub. Sehr ungünstig. Da wird ein Folgetermin erforderlich. Und natürlich unterhalten sich auch Polizisten. Nun gut. Zunächst das Problem mit dem Geständnis. Sein Anwalt gibt eine Erklärung ab. Das Problem bleibt erst einmal im Raum. Dann sagt A aus. Er schildert, was üblicherweise passiert. An den Vorfall hier könne er sich noch recht gut erinnern. Man hätte sich bereits vor Ort über das Fahrverbot unterhalten. Und belehrt hat er natürlich richtig. Der Richter lässt es genügen. Dann fragt der Anwalt. Er hatte extra Bilder mitgebracht. Stimmt dieser Streckenverlauf ab dem Ortseingangsschild? Ja. Die Straße verläuft doch hier bergab oder? Ja. Wo stand denn das Messgerät? A macht ein Kreuz auf einem der Bilder.
Folgetermin wird bestimmt auf den 30. Mai 2024. M sagt aus, was er üblicherweise macht. An den Vorgang selbst könne er sich nach 14 Monaten überhaupt nicht mehr erinnern. Wenn es im Messprotokoll so stände, wär es damals so gewesen. Er habe einen Nulltest gemacht. Basta. Der Anwalt will es wissen: Welches Verkehrszeichen wurde nun anvisiert? In 252,6 m gibt es ja keines. M kann es nicht aufklären. Wie war es mit den Tests denn genau? M kann es nicht aufklären.
Kein ordentlicher Test. Keine ordentliche Messung. Kein standardisiertes Messverfahren. Das Verfahren wird zum Az. 3 Owi 248 Js 46799/23 eingestellt. Kein Bußgeld. Kein Fahrverbot. Er war glücklich.